Abenteuer Laguna Seca – Racing in Kalifornien und meine persönliche Prüfung
Die Emotionen vor dem Start in ein Rennen, meine unglaubliche Nervosität, meine unbändige Vorfreude, das Umgehen mit meiner eigenen, anfänglichen Unsicherheit und dennoch den Glauben an mich und an meinen Weg nicht verlieren – das alles hat meine USA-Reise nach Laguna Seca geprägt. Mehr zur Vorgeschichte und zu den Resultaten des Rennwochenendes der CRA in Laguna Seca lest ihr in diesem Beitrag.
Ein paar Gedanken aus dem Flugzeug
Etwas mehr als zwei Tage ist es nun her, seit ich zum letzten Mal die Start-/Zielgerade von Laguna Seca überquert habe. Fast fünf Tage, als ich kurz vor meiner ersten Runde in Laguna Seca stand. 10 Tage, seit ich in Zürich ins Flugzeug nach Los Angeles gestiegen bin – und genau 161 Tage, seit ich in Buttonwillow mein erstes Rennen gefahren bin und mich das Racing-Virus endgültig gepackt hatte. Mein Leben hat sich doch ziemlich verändert – denn ich habe eine Leidenschaft entdeckt, von der ich wusste, dass es sie gibt, jedoch nicht, dass sie mich so sehr beeindrucken könnte.
Ich sitze hier im Flugzeug zurück nach Zürich. Noch knapp 9 Stunden Flugzeit liegen vor uns. Die erste Mahlzeit ist bereits durch – schade. Kennt ihr das, wenn man sich stets aufs Essen freut, weil es eines der einzigen Highlights während des Flugs ist? Wenn man genau dieses Essen aber in einem Restaurant serviert bekommen würde, würde man Rückwärts wieder aus dem Laden stolpern? Komisch. Aber worauf man sich nicht alles freut, wenn sonst alles langweilig ist. ;-)
Wobei – langweilig ist eigentlich komplett falsch für meinen Gemütszustand. Mein Kopf dreht sich im Kreis, versucht, das in den letzten Tagen erlebte zu verarbeiten. Zusammenzubringen, wie es nun weitergehen soll. Herauszufinden, ob das alles ein Traum ist, oder ob dieses Flämmchen, das da geweckt wurde, tatsächlich wachsen darf und wird. Aber fangen wir doch da an, wo jeder normale Mensch anfangen würde: am Anfang. What a surprise.
Let’s get ready for Club Racing!
Um ehrlich zu sein musste ich jetzt gerade in den Kalender schauen, um mich daran zu erinnern, wann ich von Zürich nach Los Angeles gereist bin und wie die Tage zuvor ausgesehen haben. Am 16. Juni ging mein Flug nach LA. Im Gepäck meine Motorradausrüstung, dieses Mal ohne Strassen-Ausrüstung. Alles, was in den Koffer kam, war aufs Racing ausgerichtet. Denn dies war der einzige Grund für meine Reise nach Kalifornien: das Rennwochenende der kalifornischen Meisterschaft in Laguna Seca.
Die CRA (Californian Roadracing Association), welche die Meisterschaft organisiert, ist ein sogenannter Club-Racing Veranstalter. Club Racing ist eine Veranstaltungsart, wie wir sie in Europa kaum kennen. Es sind effektive Rennweekends, bei denen nur lizenzierte Fahrer teilnehmen – diese müssen aber keine Profis sein, es sind keine effektiven Teams vor Ort und die Kategorien reichen von 400er-Junior-Rennen über Supersport 1000er bis hin zu den Baggers oder Twins, bei denen man durchaus auch mal eine Harley oder ein Naked Bike auf der Strecke antrifft. Dennoch ist alles professionell organisiert: Angefangen vom Zeitplan mit Free Practices, Qualifying und Rennen über Siegerehrungen bis hin zu Preisgeldern. Eigentlich nimmt mal also die Besucher eines Trackdays, wie wir es in Europa kennen, und kombiniert sie mit einem effektiven Rennwochenende von Lizenzfahrern. Das ist Club-Racing. Und ja – ich finde auch, dass wir das in Europa brauchen! Unbedingt! ;-)
Exkurs Ende – zurück zur Reise nach Laguna Seca
Ich bin also am 16. Juni in LA angekommen, vom Flughafen direkt ins Hotel mit kurzer Überraschung, dass mein Götti auch gerade am Flughafen von LA hauste. Ist ja klar, dass man um die halbe Welt reisen muss, um sich mal wieder zu sehen – alles andere wäre ja auch zu einfach.
Von diesem unerwarteten Treffen abgesehen waren die ersten Tage eher unspektakulär. Eine schöne Wanderung und eine Strand-Fahrradtour mit Erinn, die ich von meinen letzten beiden LA-Reisen kenne, waren die Highlights. Ach, und natürlich die Büropausen, die Stephen und ich damit verbrachten, uns auf Laguna Seca vorzubereiten und uns auf die baldige Racing Action zu freuen. Ansonsten war ich damit beschäftigt, mich an die Zeitumstellung zu gewöhnen. Oh, und damit, das amerikanische Lebensmotto von «bei uns gibt’s alles in XXL und in 378 verschiedenen Geschmacksvarianten» zu verarbeiten – in dem ich mich durch Proteinriegel und Energydrinks probierte, bis mir schlecht wurde. Und ich mich wieder an die enger werdende Lederkombi erinnerte. Dann war es endlich so weit: am 23. Juni klappte ich zum letzten Mal im Büro von Mithos USA meinen Laptop zu und fuhr zusammen mit Stephen zum Motorhome, um in Richtung Laguna Seca aufzubrechen.
Kalifornien feiert das erste Clubrennen in Laguna Seca seit den 80er-Jahren
Das Rennen in Laguna Seca war nicht nur für mich ein Highlight. Jeder einzelne, der vor Ort mit dabei war, wurde damit Teil der kalifornischen Clubracing-Geschichte. Denn das CRA Raceweekend war die erste Club Veranstaltung seit den 80er-Jahren, die in Laguna Seca ausgetragen wurde. 187 Rennfahrer:innen waren auf Platz, die Startplätze für die Hauptkategorien der Rennveranstaltung waren innert weniger Tage ausgebucht. Somit war ich also nicht die Einzige, die sich aufs Racing freute wie eine Scheibe Brot, die aus dem Toaster springen darf. Sorry, ein besserer Vergleich fällt meinem müden Kopf gerade nicht ein.
Angekommen im Paddock des Weathertech Raceways «Laguna Seca» blieb mir erstmal der Atem weg... wie schön konnte eine Rennstrecke bitte sein? Die Landschaft, die Streckenführung und dann zu allem hin noch der perfekte Sonnenuntergang dieses Abends – Laguna Seca hatte mich vom ersten Moment an in der Tasche. Ich nahm mir nach der langen Fahrt ein paar Minuten Zeit, spazierte den Hügel hinauf zur Corkscrew, genoss den Sonnenuntergang und versuchte, zu verstehen, wo ich gerade war und was in den nächsten Tagen auf mich wartete.
Neues Motorrad, neue Rennstrecke, selbes Problem
Was das Motorradfahren auf einer Rennstrecke angeht habe ich nebst ganz vielen kleineren Baustellen eine speziell grosse: und das sind die ersten beiden Turns. Das Kennenlernen einer neuen Strecke – in Laguna Seca zudem noch mit einem fast-neuen Bike – löst in mir immer das Gefühl aus, als sei ich noch nie auf einem Motorrad gesessen. Dass ich fast 20 Tage auf meiner Krämer verbracht hatte und fahrerisch auf einem ganz anderen Level war, als ich die Feel Like A Pro-Ninja 400 zum letzten Mal gefahren war, hat da nicht gerade im positiven Sinne dazu beigetragen. Kleiner Tipp an mein Umfeld: fragt mich besser erst nach dem dritten Turn, wie ich die Strecke finde. Wer vorher fragt, läuft Gefahr, meine eher zickige und unzufriedene Seite kennenzulernen, die das Motorradfahren an den Nagel hängen möchte. ;-)
Zurück im Rennstrecken Fieber dank bestem Coaching-Support
Dass ich nach den ersten Turns nicht ganz happy war, blieb dem Team rund um Feel Like A Pro nicht verborgen – so nahm sich Jacob Allegra meiner an, der selber in verschiedenen CRA Kategorien startete und seit dieser Saison auch in der Moto America Meisterschaft antrat. Mit einer GoPro folgte er mir während einigen Runden, sodass wir gemeinsam meine Linie, meinen Fahrstil und meine Körperposition analysieren konnten. Er gab mir einige Tipps zu Brems- und Orientierungspunkten und zu meinem Fahrverhalten – was mich schlussendlich auf eine Zeit unter 1:50.00 brachte. Mein persönliches Ziel für den ersten Tag war geschafft.
Die Momentaufnahme des Qualifyings
Spass haben. Mir keinen Druck machen. Jede Runde geniessen. Das alles hätte ich gerne umgesetzt, bin aber vor allem im Qualifying kläglich daran gescheitert, da ich genau wusste, dass die Momentaufnahme dieser 15 Minuten über die Startaufstellungen aller vier Rennen des Wochenendes entscheiden würden. Nun, ich hab’s dennoch mit einer 1:49.99-Zeit auf den Grid geschafft und stand so in folgenden Positionen in der Startaufstellung:
Samstag, Race 4 (16 Laps): Feel Like A Pro 400 GT, Position 18
Samstag, Race 6 (8 Laps): Ladies of CRA, Position 9
Sonntag, Race 4 (8 Laps): Feel Like a Pro Amateur 400 Supersport, Position 6
Sonntag, Race 4 (6 Laps): Feel Like a Pro Amateur 400 Superbike, Position 6
Das erste Rennen – wie ging das mit dem ruhig bleiben?
Holy Sh**, war ich nervös. Mir war schlecht. Mein Kreislauf meinte es gar nicht mehr gut mit mir – ich hatte kurzerhand vergessen, wie das Startprozedere funktionierte und wollte eigentlich am liebsten alles abbrechen. Ryan nahm mich kurz zur Seite, versuchte mich zu beruhigen... lieb gemeint, aber durch diese Nervosität musste ich wohl jetzt einfach durch. Denn trotz all der Unruhe und Besorgtheit vor dem Rennen über 16 Runden – ich wusste, dass alles weg sein würde, sobald ich auf dem Grid stand. Das war noch immer so, und darauf versuchte ich, zu vertrauen.
Noch immer mit etwas Sorge im Hinterkopf, ob ich die 16 Runden fitness-technisch überstehen würde, fuhr ich beim «Last Call» raus auf die Warmup Runde. Suchte meine Position auf dem Grid. Schloss mein Visier und richtete den Blick auf die Flagge, die in wenigen Sekunden erhoben werden würde. Weit vorne, auf dem Kontrollturm der Start-Ziel-Linie, erschien die Tafel mit der «2» drauf. Sie wendete sich: «1». Die «1» wurde waagrecht gehalten – was den Moment der grünen Flagge ankündete und die Motoren um mich herum aufheulen liess. Da war die Flagge, woraufhin sich meine linke Hand automatisch von der Kupplung löste. Mein erstes Rennen von Laguna war eröffnet. 25 Bikes bewegten sich gleichzeitig auf die erste Kurve zu und keiner wollte sich die Blösse geben, bereits zu Beginn Plätze zu verlieren.
In diesem Moment erinnerte ich mich an Stephens Worte, der übrigens direkt neben mir auf P17 in dasselbe Rennen startete: «You won’t win a race during the first lap. But you can lose it.». Das Rennen war mit 16 Runden lange genug – und so fokussierte ich mich auf meine eigene, saubere Linie. Darauf, meine Energie einzuteilen, meine Position und den Anschluss an meine Gruppe nicht zu verlieren. Was mich schlussendlich nicht nur auf P14 ins Ziel brachte, sondern mir auch noch meine persönliche Bestzeit einer 1:47.6 einbrachte. In der letzten Runde. Warum? Weil ich schlichtweg zu müde zum Bremsen war. Weniger Bremse heisst mehr Kurvenspeed – hat funktioniert. ;-)
«Ladies of CRA» - 16 Badass-Girls auf einem Grid!
Ja, «Badass Girls» ist ein ziemlich amerikanischer Ausdruck. Aber hey, das ist gar nicht mal so falsch! Jede einzelne Rennfahrerin, mit der ich auf dem Grid für das «Ladies of CRA»-Rennen stehen durfte, hat mich auf ihre eigene Art beeindruckt. Es waren alles Frauen, die ihr eigenes Ding durchzogen, sich von nichts und niemandem von ihrem Weg abbringen liessen – und es ist nach wie vor eine Ehre für mich, dass ich mit ihnen gemeinsam in diesem Rennen antreten durfte. Es war kein Rennen, in dem es ums Gewinnen ging. Denn von Shelina Moreda mit ihrer Yamaha R1 bis zu Ana mit ihrer R3 waren alle möglichen Bikes mit dabei. Es ging um den Spass, und darum, zu zeigen, dass Frauen genauso viel Racing Action zu bieten haben wie die Herren. ;-)
Naja, Action hatte vor allem ich persönlich genug in diesem Rennen: Denn die Müdigkeit vom 16-Runden Rennen, das nur knapp 15 Minuten vor dem Start des Ladies-Rennens beendet wurde, war noch vollkommen präsent. Und das mit dem «nicht bremsen» wollte dann in der vierten Kurve der ersten Ladies-Race-Runde nicht mehr so ganz funktionieren... Ein kurzer Ausritt in den Sand war die Folge. Doch irgendwie schaffte ich es, das Bike aufrecht zu halten, es zurück auf die Strecke zu bringen und das Rennen doch noch mit einem spannenden Kampf gegen Dani auf P12 zu beenden.
Die «echten» Rennen – und meine persönliche Prüfung
Nein, dass der Bericht vom Samstag ganz abrupt abbricht, ist kein Versehen. Denn nach den beiden Rennen war ich schlichtweg zu nichts mehr zu gebrauchen – für den Trackwalk mit Shelina und Jake hat’s noch knapp gereicht, danach war «Licht aus» angesagt. Denn: der Sonntag war irgendwie meine persönliche Prüfung. Nicht, dass es offiziell als solche galt – und mir selber wurde das auch erst am Morgenfrüh vor den Rennen bewusst. Aber die 400er-Rennen mit dem «2 Wave Start», in denen man also effektiv nur in der eigenen Klasse mit vergleichbaren Fahrern und Fahrerinnen startete, waren an den CRA-Rennen im Februar der Einstieg in mein Racing-Leben. Nach all den Trackdays und dem ganzen Effort, den ich in meine persönliche Entwicklung auf der Rennstrecke investiert hatte, war das also meine persönliche Prüfung, um zu beurteilen, ob «Racing» weiterhin ein Teil meines Lebens sein sollte. Der finale Raceday der CRA Round 2 in Laguna Seca ging viel zu schnell vorbei. Trotz Wartezeit, trotz Nervosität, trotz vieler Highlights mit den Menschen rund um Mithos USA, um Race CRA und um Feel Like a Pro – herum um die Menschen, die Teil von dem sind, was mein Leben in den letzten Monaten so unglaublich bereichert und grundlegend verändert hat. Im Februar hatte ich die Rennen noch mit Rückstand auf dem letzten Platz beendet – jetzt durfte ich ums Podest kämpfen. Mit zwei 4. Plätzen stand ich zwar etwas enttäuscht nicht auf dem Treppchen – wusste aber gleichzeitig, dass das mein Zeichen dafür war, dass diese Geschichte hier definitiv nicht zu Ende war.
GIRLS! LET’S DO IT!!
...so die Worte von Shelina Moreda. Dazu, dass wir ein Ladies Raceteam in den USA aufbauen sollten – als Teil der CRA, sie in der Moto America mit Ducati, ich im Moto America Twins Cup mit einer Aprilia RS 660. Ja, eine Träumerei – aber eine Träumerei war es vor ein paar Monaten auch noch, dass ich jemals konkurrenzfähig an einem Rennen der CRA in Laguna Seca teilnehmen würde... to be continued. :-)
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